Weil dit dementsprechend is so [Dok „nach Wriezen“]

Aus dem Knast in die Realität: „nach Wriezen“ ist eine Verfolgung aus Neugier.

Foto: Johannes Praus
Foto: Johannes Praus

Marcel will nicht, dass seine Freundin eine neue Wasserflasche anfängt, bevor die bereits angefangene leergemacht wurde. Marcel besteht darauf. Seine Freundin lacht. Er lässt nicht locker. Seine Freundin gehorcht und trinkt die alte Flasche gehorsam leer. Marcel saß sieben Jahre im Gefängnis. Als er 18 war, verschleppte er mit zwei Freunden einen Jugendlichen in eine Schweinemastanlage und folterte ihn stundenlang. Dann ließen sie ihn auf eine Steinkante beißen, sprangen ihm auf dem Kopf und versteckten die Leiche.
Neben dem einst rechtsextremen Marcel folgt die Kamera zwei anderen kriminellen Jugendlichen nach ihrer Entlassung aus der Brandenburger JVA Wriezen. Einer war Dealer und hat ein Foto von Obama in seiner Zelle. Ein anderer saß wegen schwerer Körperverletzung.
Nach Ende ihrer Haft versuchen die drei, sich in Brandenburg einzuleben oder zumindest zu funktionieren. Die Frage nach der Möglichkeit dessen hängt von vornherein schwer über all ihren Schneeballschlachten, Raucherpausen und Karussellfahrten.

Sie alle kriegen Jobs, Freundinnen, Kinder. Ihre Reaktionen hierauf haben stellenweise Gemeinsamkeiten. Doch obwohl der Film zurückhaltend beobachtet, er sich behutsam an seine dubiosen Versuchskaninchen nähert und in erster Linie doch eher ihre Geschichten erzählt, als ein Statement abzugeben, scheint „nach Wriezen“ durch die Logik seines Formats dazu einzuladen, diese Schlussfolgerungen selbstständig zu treffen. Und die gibt es hier nicht – weder menschlich noch politisch. Hier gibt es in Jugendämtern verstreute Babys, ausgeatmeten Rauch und ein Schwein, das vor einem Auto wegläuft. Emotional mag das berühren. Vielleicht sollte man jedoch vorsichtig damit sein, anhand dieser Bilder Diskussionen anzustoßen und Meinungen in die Welt zu setzen.

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