JUNGER FILM: Anatomie eines Weltverständnisses: Die Verschwörung der Pflanzen

Aus einer Mücke einen Elefanten machen – das Sprichwort ist sicher jedem bekannt. Was mit einer vertrockneten Blume beginnt, entwickelt sich im Kurzfilm Anatomie eines Weltverständnisses der Filmakademie Baden Württemberg rasant zu einer handfesten Verschwörungstheorie. Dabei nehmen die Filmschaffenden sowohl die Thematik, als auch sich selbst ordentlich auf die Schippe und klären die Frage, welche finsteren Machenschaften sich hinter dem vermeintlich harmlosen Blumenfachhandel wirklich verbergen.

Der dreiminütige Spielfilm unter Regie von Alexander Fischer, auch bekannt als „Peskador“, beginnt mit einer zunächst sehr banalen Situation: Die Protagonisten Herr Bäuchle und Herr Wamperl stehen sich im Setting eines Wohnzimmers gegenüber. Vernachlässigt von Herrn Wamperl, der sich eigentlich um die Blume seines Nachbarn kümmern sollte, befindet sich diese nun mit vertrockneten Blättern zwischen den beiden auf einem kleinen Tisch.

Anstatt sich aber für seinen Fehler zu entschuldigen, flüchtet sich Herr Wamperl in eine scherzhafte Abhandlung über die geplante Obsoleszenz der Pflanzenindustrie, spricht von Ursache und Wirkung und erweckt gekonnt den Anschein, seinem Nachbarn im Grunde sogar einen Gefallen getan zu haben. Schließlich könnten die so unschuldig aussehenden Pflanzen ja giftige Aromastoffe ausscheiden, die unbemerkt Einfluss auf die naiven Bürger nehmen und sie abhängig, wenn nicht sogar gefügig machen!

Die Ausflüchte von Herrn Wamperl münden allerdings in einer prekären Situation, als Herr Bäuchle sich zunehmend in die Vorstellung einer politischen Verschwörung hineinsteigert und sich überhaupt nicht mehr für den Verlust seiner Blume interessiert. Die anfängliche Problematik weicht einer absurden Diskussion darüber, dass man den Abholzungen der Regenwälder dankbar sein und eigenhändig sämtliche Blumenhandlungen anzünden sollte, um dem Ganzen Einhalt zu gebieten. Spätestens als die Rede von “skrupellosen Botanikern” ist, stellt sich beim Zuschauenden zweierlei ein: Zum Einen Belustigung darüber, wie leicht Herr Bäuchle auf das Ablenkungsmanöver seines Nachbarn reingefallen ist, zum Anderen aber auch die Erkenntnis über den Realitätsbezug des Themas. Denn gerade in der momentanen Pandemie-Situation entwickeln viele Menschen Misstrauen in die politischen Absichten hinter den Corona-Maßnahmen und unterstützen zum Teil Verschwörungstheorien, die wiederum moralisch sehr fragwürdig sind. Herr Bäuchle nimmt in diesem Rahmen die Rolle einer solchen Person ein und lässt sich immens schnell von einer Vorstellung überzeugen, die absolut haltlos und nicht einmal ernst gemeint ist. Schließlich versinkt er so tief in diesen Ausschweifungen, dass er sich kaum noch davon abbringen lassen will.

Die Ironie, dass dieser heillose Diskurs in Anatomie eines Weltverständnisses auf eine vertrocknete Pflanze zurückgeht, passt zur gesamten stilistischen Dynamik des Kurzfilms. Einzig der Filmtitel hat mich etwas verwirrt. Anatomie eines Weltverständnisses? In meinen Augen lässt es sich nur so erklären, dass wir hier miterleben, wie eine Verschwörungstheorie überhaupt entsteht. Vom Hörensagen zu schweren Anschuldigungen, die sich auf keinerlei Fakten berufen, erkennt man auf einmal einen geheimen Sinn in bestimmten politischen Strukturen. Oder was meint ihr?

Wer sich außerdem fragt, wie die beiden Protagonisten zu ihren originellen Namen gekommen sind und ob sich Herr Bäuchle am Ende doch noch zur Wahrheit bekehren lässt, sollte sich Anatomie eines Weltverständnisses nicht entgehen lassen!


Text: Carolin Laupitz

Dieser Film läuft in Block 1 des Wettbewerbs JUNGER FILM beim FiSH – Filmfestival im Stadthafen.

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