Über Leben in Demmin: Wo Peene, Tollense und Trebel aufeinander treffen

Foto: Salzgeber

Zwischen dem 30. April und dem 04. Mai 1945 – mit dem Einmarsch der Roten Armee in die Hansestadt Demmin – ereignete sich ein Massensuizid, bei dem sich schätzungsweise jede 20. Einwohner*in des kleinen Ortes, an dem Peene, Tollense und Trebel zusammenfließen, das Leben nahmen.

Dieses Phänomen nahm Martin Farkas zum Anlass, einen Dokumentarfilm zu drehen und Zeitzeug*innen die Möglichkeit zu bieten, die Geschehnisse für sich aufzuarbeiten und an kommende Generationen weiterzutragen. In den Redebeiträgen wird die Diskrepanz zwischen ihnen, die über die Ereignisse sprechen möchten und den Jüngeren, die die „Geschichten von früher“nicht hören (wollen), deutlich.
Der ohne Bauchbinden auskommende Film konzentriert sich dabei vollkommen auf die Geschichten der Menschen vor Ort, ohne diese in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen.
So kommen Überlebende, die von persönlichen Erinnerungen an den süßlichen Leichengeruch vermischt mit dem der brennenden Stadt berichten, ebenso zu Wort wie die Kleinfamilie, die beim Dönerladen um die Ecke arbeitet und meint, dass das „linke Pack einfach verboten“ gehöre.

Seit 2006 nimmt die NPD den Massensuizid zum Anlass, einen Trauermarsch in Gedenken an die deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges zu organisieren. Dabei nutzt sie die vermeintliche Gleichgültigkeit des Großteils der Demminer*innen gegenüber dem Aufmarschieren von Neonazis aus dem gesamten Umland, um öffentlichkeitswirksam ihre Parolen zu verbreiten.

Für die Kamera sich „neutral“ gebend, ist der Grat zwischen Tolerieren und Neugierde bis zum Mitlaufen für die örtliche Jugend sehr schmal. Der Aufruhr, den die jährliche Veranstaltung samt Gegenprotesten und Polizeiaufgebot mit sich bringt, schafft es, dass Demmin wegen des Naziaufmarsches und nicht wegen des Gedenkens an die Toten regelmäßig in den Schlagzeilen steht.

Nach dem kurzweiligen Film bleiben einige Aspekte offen, die abschließend schwer zu belegen sind. Neben der Frage, warum sich so viele Menschen im Mai 1945 für den Freitod entschieden, bleibt außerdem unbeantwortet, weshalb Demmin und seine Bürger*innen mit ihrer Geschichte so gleichgültig umgehen und sich nicht aktiver gegen das Annehmen der Thematik durch die Neonazis stellen.
Über Leben in Demmin bietet eine gute Grundlage zur weiteren Diskussion und Reflektion. Ich hoffe, dass der Film nicht nur regional sondern auch bundesweit Aufmerksamkeit auf sich zieht und im Geschichtsunterricht gezeigt und besprochen wird.

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