Die Flucht: Gehen oder Bleiben

Foto: unafilm Ustagolu Film

Es beginnt am Ufer des Mariza, Grenzfluss der Türkei und Griechenland. Schwere Gewitterwolken verdunkeln den Horizont, es blitzt und donnert bedrohlich.

Auf der einen Seite steht eine Gruppe Menschen, sie schauen hinüber ans Ufer der anderen Seite: Nach Europa. Neben ihnen wird ein Schlauchboot aufgepumpt, es pfeift und fiept. Es wirkt lächerlich, klein und unbedeutend in der mächtigen Kulisse des reißenden Stroms und des nahenden Regens.

Das Warten der Szene wird jäh gebrochen von Soldaten: Die Gruppe stiebt auseinander. Cadir (Ali Suliman) gelingt es wegzurennen. Er ist Syrer, er ist groß und kräftig, trägt einen Vollbart. Er ist am Ende seiner Kräfte, durchnässt, hungrig, die großen braunen Augen voller Angst und Zweifel. Er muss sich erholen, sich verstecken. Abseits vom Dorf auf einem Kuhhof kommt es von ihm ebenso ungewollt wie von ihr zur Begegnung mit Aliye (Jale Arikan).

In Die Flucht wird nur ein Beweggrund ausgelotet, welcher Menschen zur Flucht aus einem Heimatstaat veranlassen könnte. Glaubhaft werden die Strapazen Cadirs gezeigt, physisch sowie psychisch. Seine Flucht steht beispielhaft für die von vielen. Seine Geschichte verknüpft sich mit dem Schicksal der resoluten Aliye. Der Film wird zu einem Liebesdrama.

Und leider glaube ich, wäre dies nicht nötig gewesen. Zwar sind viele Aspekte der Fluchthandlung wenig klischeehaft umgesetzt. Doch die unmögliche Zärtlichkeit der beiden Protagonist*innen führt in ein Drama. Es spitzt sich auf klassische Weise zu. Das Ende führt mir zu weit weg vom eigentlichen Belang Cadirs, wenn er Aliye fragt: „Was hält dich noch hier?“. Der Dialog der beiden mag durch ihre verschiedenen Sprachen nicht möglich sein, doch im gegenseitigen Verständnis von Würde und Menschlichkeit liegt das gemeinsame Einander-Verstehen.

Langspielfilmromantiker*innen mag dieses Liebesdrama gefallen. Für mich hätte der Kern der Geschichte in eine Kurzfilmversion besser gepasst.

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