„Niemand drängt mich in was hinein“ [SF „Nordstrand“]

Eine Insel in der Nordsee, isoliert vom Land. Der Blick geht nicht aufs Meer hinaus, er ist gefangen von Details, die Wellen rauschen ans Ufer.

Filmstill: André Lex
Filmstill: André Lex

Das Thema ist harter Tobak: Gewalt im familiären Umfeld. Leidet man unter einem direkten Schlag oder leidet derjenige mehr, der durch den Türspalt zusieht? Wie lange hält sich der Schmerz? Welche Antwort gibt es?
Im verlassenen Elternhaus treffen sich Marten (Martin Schleiß) und sein jüngerer Bruder Volker (Daniel Michel) nach vielen Jahren wieder. Marten, der gleich im verdreckten Haus anpackt, wirkt in den ersten Bildern sympathisch und aufgeschlossen. Während man noch über das Desinteresse von Volker grübelt, verläuft die Geschichte – krumm. Zwischen der Gegenwart der Brüder und den Rückblicken in ihr Kindheitsdrama liegen Momente, die scheinbar nicht von Bedeutung sind. Oder doch genau die Auswirkungen der väterlichen Wutausbrüche zeigen?

Regisseur Florian Eichinger verarbeitet zum zweiten Mal „den langen Arm von Gewalt”, wie es in der Filmbeschreibung steht. Nach „Bergfest“, der eine Beziehung zwischen Vater und Sohn beleuchtet, steht nun das Verhältnis zweier Brüder im Fokus.
Nach 89 Minuten gebannten Zuschauens bin ich verstört. Für mich klar ein guter Film. Nicht zu Unrecht ist „Nordstrand“ als bester Spielfilm von den Grenzland-Filmtagen im bayrischen Selb sowie mit dem „Max Ophüls Preis“ bei seiner Premiere im Januar ausgezeichnet worden.
Der begrenzte Raum zwischen Strand und Elternhaus und der kurze Zeitraum weniger Tage unterstreichen das starke Schauspiel der sechs Charaktere, die nach Florian Eichinger so „das Innere herausspielen“ können. Während des Abspanns wird mir klar: Es ist ihnen gut gelungen. Derart, dass ich über Opfer, Schuld und Wirkung hin- und herdenke, über die Unterschiede der Brüder und ihrer Lebenswege, die trotz gemeinsamer Tage so verschieden durchlebt wurden. Es gibt mehr als eine nur Antwort auf Gewalt. Einer muss den Topf aufreißen, auch wenn sich der andere nirgendwo hineindrängen lässt.

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