Zur Wahrheit verführt [SF „Das System – Alles verstehen heißt alles verzeihen“]

Wer nichts hat, kann wenig verlieren. Trotzdem kann es sein, dass niemand mehr weiß, wer du bist, während du auf dem Grund der Ostsee liegst.

Den Großteil seiner Zeit verbringt der 21-jährige Mike Hiller (Jacob Matschenz) damit, im kleinkriminellen Stil vom Laster gefallene Dinge zu verticken. Als er eines Nachts bei einem Einbruch erwischt wird, tritt Konrad Böhm (Bernhard Schütz) in sein Leben und ersetzt die Vaterfigur, die Mike nie hatte. Oder haben durfte. Verwickelt in dubiose Geschäfte einer russischen Gasgesellschaft, treten im dramaturgischen Schnellfeuer die Wahrheiten ans Licht. Binnen kürzester Zeit scheint die Vergangenheit das Hier und Jetzt zu überrollen. Wer dabei letztendlich die Fäden in der Hand hat, bleibt als verschwommenes Schema in der Highsociety der Korruption verborgen.

Jacob Matschenz überzeugt in einer scheinbar auf ihn zugeschnittenen Rolle als trotziger Chaot und verkörpert durch eine gewisse Naivität die Generation der ostdeutschen Mittzwanziger. In seinem Spielfilmdebüt nutzt Regisseur Marc Bauder den Hintergrund der politischen Diskussion über eine Pipeline quer durch unser Land, um die Geschichte des perspektivlosen Mike zu beleuchten. Die Idee, dass ein junger Mensch durch einen verführerischen neuen Weg seine bisherigen Beziehungen zerfallen lässt, ist nicht neu. Jedoch besticht der Film durch die geschichtlichen wie auch politischen Hintergründe, die in den 90 Minuten angeschnitten werden. Hinzu kommen Stasi-Akten, Waffenhandel und Verflechtungen zwischen den einzelnen Charakteren – ob tot oder lebendig. Zwar wird nicht jeder Aspekt bis in die Tiefe beleuchtet, jedoch weckt „Das System – Alles verstehen heißt alles verzeihen“ Interesse und lässt nach mehr verlangen. Wer wissen möchte, wie die Geschichte ausgeht, dem sei ein Blick in die täglichen Nachrichten empfohlen.

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