„Eine unglaubliche Last“ [Interview mit Jasna Fritzi Bauer]


Dienstagabend, kurz nach der Eröffnungsveranstaltung. Überhäuft mit Rosen und mit unserer filmab!-Zeitung in der Hand steht Jasna Fritzi Bauer vor mir, Hauptdarstellerin von „Ein Tick anders“. Die junge Schauspielstudentin aus der Schweiz lacht häufig und ihre frische Art ist mir sofort sympathisch. So verziehen wir uns in eine ruhige Seitenstraße beim Capitol und ich fange an, meine Fragen zu stellen.

Hallo Jasna, im Eröffnungsfilm „Ein Tick anders“ spielst du das Mädchen Eva, welches unter dem Tourette-Syndrom leidet. Wie hast du dich auf die Rolle vorbereitet?
Vorbereitet hab ich mich mit einem Coach, Jan Knebel, der auch im Film mitspielt. Er hat schon einmal in einem Theaterstück einen Tourettekranken gespielt. Wir haben uns viele Dokumentationen und Filme über das Syndrom angesehen.

Auch „Vincent will meer“?
Nein, der kam am Anfang der Dreharbeiten erst heraus, den hab ich mir bis heute noch nicht angeguckt (lacht). Für die Vorbereitung meiner Rolle haben wir Christian Hempel besucht, der selbst tourettekrank ist. Das Problem ist, dass es wenige Frauen gibt, die das Tourette-Syndrom haben. Fast ausschließlich Männer. Wir haben uns dann mit Frauen getroffen, bei denen es nur leicht ausgeprägt war. Unser Training umfasste zwei intensive Wochen mit zusätzlichen Wochenenden in Hamburg oder Berlin, das war schon anstrengend. Wir haben körperlich viel gemacht haben und mit den Wörtern experimentiert.

Hast du denn durch den Film eine Leidenschaft für Molche oder den Wald entwickelt? Oder auch fürs Singen? Das sind ja nun alles wichtige Dinge im Film für Eva.
Nein, weder für Molche noch für den Wald. Also Molche sind wirklich nette Tiere, aber ich möchte es nicht als Haustier haben.

Sicherlich auch nicht auf dem Gesicht rumkrabbeln lassen wie auf dem Filmplakat, oder?
Nein, das wirklich nicht! Eigentlich war das gar nicht so schlimm. Singen tue ich schon immer gerne, das habe ich insofern nicht durch den Film neu entwickeln müssen.

Die Frage, die wir uns innerhalb der Redaktion auch gestellt haben, ist ja, ob man lachen darf oder nicht. Der Film ist eine witzige Familienkomödie – aber eben auch der schwierige Alltag vieler Menschen.
Das ist eben die Frage. Christian hat das Filmkonzept mitentwickelt, das fertige Ergebnis gesehen und fand ihn gut. Somit lacht man nicht über Eva, sondern mit ihr. Das wollten wir auch erreichen. Es soll nicht vordergründig um Tourette gehen, sondern um das Umfeld.

Und wie stark sie eben ist, das sie das meistert.
Genau. Wie sie sich da überwindet, mutiger wird und versucht, trotz der Krankheit ihr eigenes Leben aufzubauen.

Mit welchen Erwartungen bist du an deine Rolle herangegangen?
Das war schon so eine Angst, als ich zum Casting gegangen bin und dann wusste, dass ich die Rolle bekomme. Diese Frage: Wie spiele ich etwas, was ich selbst nicht erlebt habe? Wenn ich im Theater einen Mörder spiele, weiß ich auch nicht, wie sich ein Mörder fühlt. Dafür ist man eben Schauspieler.

Stellt man sich da nicht manchmal die Frage, ob das nicht vielleicht lieber jemand spielen sollte, der wirklich diese Erfahrung gemacht hat? Bestimmt gibt es auch talentierte Tourettekranke, die solch eine Rolle spielen könnten.
Ja, natürlich. Aber darüber macht man sich dann wirklich keine Gedanken. Wichtig ist, dass wir es mit dem Film aufgreifen und thematisieren. Das Problem ist eben, das viele Leute nichts über Tourette wissen.

Und dann wie im Film reagieren.
Genau. Das sieht man auch in den ganzen Dokus über Tourettekranke. Im Grunde entschuldigen die sich die ganze Zeit für ihre Krankheit, weil sie eben ständig ausrufen müssen. Es ist eine unglaubliche Last. Diese Herausforderung, dass man auch selbst überhaupt damit klarkommen muss.

Dankeschön, dass ich dir für unser Interview deine Raucherpause stibitzen durfte.
Bis bald!

Ein Kommentar

  1. Dürfte ich fragen um was es sich da genau bei diesem Casting handelt?
    Durch wen oder was kann man erfahren, was der beste Anlaufpunkt für ein solches Casting ist?
    Das Interview liest sich süffig, ohne Nachgeschmack oder Kopfschmerzen!

    Kunst erlaubt alles, fast schon erschreckend oder? In manchen Ländern wäre man froh über solch eine Freiheit!
    Der Film kann eben nur als Deutscher Film gezeigt werden!

    Man erwartet sicher mehr Filme von der Schauspielerin oder?

    P.s rauchen ist ungesund, vor allem für eine junge Dame!

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