Trostlos im Sorgenmeer – eine Suche nach Freiheit und Selbstfindung [Retro „Die innere Sicherheit“]

Frau mit Augen von erbarmungsloser Kälte, vollen Lippen, kurzem Haar neben Mann mit vernarbten Wangen und starker Nase – so authentisch böse das Karma des im Untergrund lebenden Paares wirkt, so zärtlich zieht sich die Liebe von Clara (Barbara Auer) und Hans (Richy Müller) durch den Film. Verschlossen und sensibel zeichnen die geduldige Kameraführung und die in Träumen schwelgende, beflügelnde Musik das Portrait der zerbrechlichen Jeanne (Julia Hummer). „Die innere Sicherheit“ wagt einen schmackhaften Perspektivenwechsel von einem Terroristenpaar mit Tochter: Gestellt in den Opferwinkel, um das Menschliche im Abgründigen zu sehen.

 

Walrossbaby in giftgelben Lumpen
Rauchend lernt sie an einem portugiesischen Strand Heinrich (Bilge Bingül) kennen, ein langhaariger Brian-Wilson-Liebhaber mit Surferkarriere-Traum, doch nach dem Verlust ihrer Reisepässe flüchtet die Familie abrupt zurück nach Deutschland. Jeanne muss Kleidung aus Altkleidercontainern tragen, in denen sie an ein Walrossbaby in giftgelben Lumpen erinnert. Sie klaut, weil sie sich den normalen Jugendlichen anpassen will – und trifft dabei ihren Heinrich wieder. Ohne Moos nix los – wegen Geldmangel und Magenknurren planen Clara und Hans einen Bankraub, während Heinrich einer surrealen Konfrontation mit Jeanne entgegengestellt wird. „Hau ab, du bist eklig! Ich liebe dich nicht!“ Im Zwiespalt von Liebe und Verantwortung sucht sie letztlich doch Heinrich auf, um ihm einiges zu erklären. Unter dem Vorwand, Cola zu holen, verständigt dieser vermutlich die Polizei.

 

Unspektakulär und realitätsnah ist die Darstellung der gezielten Attacke dreier Autos auf das der Familie am Folgetag: Fensterglas zerspringt, das Auto der Flüchtenden fliegt im Salto von der Straße und geht in Flammen auf. Jeanne scheint die einzige, die dem Todeskuss entkommt. Im wortlosen Ende strotzt ihr Gesicht bewundernswert charakterstark und zeigt: Trotz dem zitternden Erscheinungsbild der kleinen Jeanne ist ihr Herz tapfer. So lehrt sie dem Zuschauer: „Wenn du schwach bist und verwirrt, dann musst du schweigen und den anderen reden lassen. Das macht ihn wahnsinnig und dann löst er sich in seine Bestandteile auf. In Implosion.“ Und dann bist du der Starke.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert