Schwarz-Rot-Geil im Fleischwolf [KF Germania Wurst]

Reih in Glied marschieren sie: kleine, zart wirkende Soldatenkinder. Stolz halten sie die schwarz-weiß-rote Fahne, munter monoton stampft die Masse im Takt der preußischen Marschmusik voran. Im Hintergrund ertönen Explosionen, Detonationen, Schüsse. Unbeirrt marschiert die Armee der Anonymen weiter, ausgestattet mit Gewehren und Gasmasken. Krücken, Verbände und Augenklappen kommen hinzu. Plötzlich fehlen beide Beine.

Die kleinen Schiebewagen quietschen, doch die Krücken knacksen weiter im Takt voran – bis sich alles zerknüllt, durch den Fleischwolf dreht und als gestreckter Hitlerarm aus den Metzgerhänden aufersteht.

Ein narzisstischer Albtraum „vaterlandstreuer“ Fleischfachverkäufer? Nein, nur eine Szene von vielen in Volker Schlechts Provokationsspektakel Germania Wurst, das 2000 Jahre deutsche Kriegsgeschichte in zehn wahnwitzige Minuten des blanken Sarkasmus zerhackt: Ein Abgesang auf das „Schwarz-Rot-Geil“-Gehabe; ein tiefschwarz gefärbter Abriss über all das, was den biederen Nationalstolz der Vergangenheit aufgebaut hat. Und im Zentrum des Geschehens: Die Wurst, fleischgewordenes Symbol nationaler Identifikationssuche. Ein komplexer Klotz deutscher Historie, dessen Zusammenhänge dem Zuschauer nicht sofort ersichtlich sind. Doch was Schlecht hier wagt, ist weder Analyse noch belehrende Geschichtsstunde, sondern eine bewusst überbordende Collage aus Metaphern und symbolischen Bildverwandlungen: Die gigantische Messerklinge, die in Schienengleise und Gefängnisgitter übergeht. Der Schäferhund, der sich im Laufrad unter den Klängen von „Kalinka“ fast zu Tode strampelt. Oder die selbstschälende Banane, aus der sich die Autobahn unter den hymnischen Klängen des Deutschlandliedes ihren Weg durch den Schilderwald sucht.

Besonders die skizzenhafte, bleistiftartige Animation schafft diese verstörend-diffuse Atmosphäre, die den Zuschauer fesselt. Ein bizarres Kurzfilmerlebnis, das dem Begriff „Made in Germany“ eine völlig neue Note verleiht. Und als finale Erkenntnis bleibt: Alles hat ein Ende – nur die deutsche Wurst, die hat keins.

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