Die Notwendigkeit des Erinnerns [DF Gerdas Schweigen]

Es war der Bruch eines jahrzehntelangen Schweigens: Erstmals beschrieb der Journalist und Radiomoderator Knut Elstermann 2005 das Schicksal seiner Tante Gerda Schrage in dem Buch „Gerdas Schweigen“. Der auf der Biografie beruhende, gleichnamige Film von Britta Wauer gibt nun

durch eingebundene Gespräche mit Zeitzeugen, Freunden, Verwandten, Elstermann und Gerda selbst – umrahmt von historischem Material, Fotos und Videos – dem Zuschauer ein umfassendes Zeitverständnis über das Schicksal der Holocaustüberlebenden.
Nachdem die junge Jüdin Gerda 1944 in das Konzentrationslager nach Ausschwitz deportiert wurde, bemerkt sie, dass ihre Affäre mit einem ungarischen Pelzhändler mehr Konsequenzen als erwartet davon trug: Sie ist schwanger. Die Geburt des Mädchens wurde von den KZ-Ärzten akzeptiert, das Ernähren des Kindes aber nicht. So war Gerda also gezwungen, das kleine Mädchen, das sie schon auf den Namen Sylvia getauft hatte, hilflos verhungern zu lassen. Ein Erlebnis, das sie für immer traumatisierte.
Nach der Auflösung des KZ gelang ihr die Flucht nach Berlin. Von dort konnte die junge Frau nach New York zu ihrer Schwester emigrieren, wo sie ihren zukünftigen Ehemann Sam Schrage kennenlernte. Ihm und dem gemeinsamen Sohn Steven verschwieg sie ihre einschneidenden Erlebnisse aus Ausschwitz. Ein dunkler Schleier des Vergessens und des Schweigens breitete sich über Gerdas Leben aus.
Neben den biografischen Aspekten reflektiert die filmische Adaption auch die Konsequenzen der Veröffentlichung von Elstermanns Buch. Beispielsweise den sich dadurch entwickelnden Konflikt zwischen Gerda und Steven. Denn auch die Scham um die Tatsache, dass sie ein Kind von einem verheirateten Mann bekam, ließ Gerda ihre eigene Vergangenheit verdrängen. „Gerdas Schweigen“ berichtet nicht nur vom dramatischen Schicksal eines Holocaustopfers, sondern stellt indirekt auch die Frage nach der Notwendigkeit des Erinnerns und Vergessens.

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