Mikrokosmos Callcenter (SF Selbstgespräche)

Wer kennt sie nicht, die nervigen Anrufe aus Callcentern, bei denen versucht wird einem wieder irgendetwas aufzuschwatzen? Aber wer sind die Menschen auf der anderen Seite der Leitung? Meistens sind es Leute, die nur einen Übergangsjob suchen, manche bleiben aber auch hängen. André Erkaus Film „Selbstgespräche“ beschäftigt sich nicht damit, wie ein Callcenter funktioniert, sondern damit, wie die Menschen darin ticken.

Vier „gescheiterte Existenzen“

Da ist der Chef und Berufszuhörer Herr Harms, der seinen Marketing-Slang nicht einmal mehr zuhause abstellen kann. Er scheint für seine Frau eher ein Coach als ein Ehemann zu sein. Und diese scheint sich bald eher für den Tanzlehrer zu interessieren als für die chinesischen Lebensweisheiten ihres Mannes.

Harms „bestes Pferd im Stall“ ist Adrian. Der läuft am Telefon zur Höchstform auf und knackt alle Verkaufsrekorde. Sobald er sich aber nicht hinter der Anonymität eines DSL-Sonderangebot-Anrufs verstecken kann, kommt seine schüchterne und unkommunikative Seite zu Tage. Er kann den meisten Menschen nicht einmal in die Augen schauen. Als er sich während eines Telefonats in eine Kundin verliebt, weiß er nicht, was er tun soll.

Hier tritt sein Freund Sascha auf den Plan. Der Neuzugang des Centers wollte ja eigentlich Moderator im Fernsehen werden, hat es aber nur bis zur Tür des Callcenters geschafft. Als seine Freundin dann auch noch schwanger wird, sieht sich der Lebemann mit der Realität und beängstigenden Verantwortung konfrontiert.

Und schließlich ist da noch Marie, die Architektin, die ihr Berufsleben neu planen musste als ihr Freund sie mit dem gemeinsamen Kind sitzen ließ. Sie entwickelt sich zur Einzelkämpferin und versucht, der Callcenterhölle zu entkommen.

Die einzelnen problembehafteten Charaktere werden dem Zuschauer zugänglich gemacht und so unterschiedlich alle auch sein mögen, sie alle haben zumindest ein Problem gemeinsam: Die Verkaufsquote des Callcenters muss drastisch erhöht werden, damit die Abteilung nicht dichtgemacht wird. Alle müssen neben ihren persönlichen Schwierigkeiten auch noch um ihren Arbeitsplatz kämpfen.

Lärmende Sprachlosigkeit

Der Film beschäftigt sich mit dem Problem der Sprachlosigkeit in einer Gesellschaft, die ständig redet. Das Callcenter wirkt dabei als Minitaurausgabe unserer Gesellschaft. Zwischen all diesen problembelasteten Existenzen keimt das Gefühl auf, das Ganze selbst schon einmal durchlebt zu haben. Auf irgendeiner Ebene können wir uns mit den Menschen am Hörer identifizieren, mit ihren Ängsten und Hoffnungen und mit ihren Träumen. Ein sehr interessanter und sehenswerter Film, auch wenn ihm manchmal noch ein kleiner Ruck fehlt, der das Ganze etwas spannender macht.