"Drück ab, Feigling!" (SF Bennys Video)

Es gibt Eltern, die kümmern sich um ihr Kind, sie schenken Liebe und Geborgenheit oder zeigen ihren Kindern die Welt. Dann gibt es aber auch Eltern, die versuchen, alles mit Geld aufzuwiegen – so wie die Eltern von Benny (Arno Frisch).


Technik über Technik

Statt aus dem Fenster die Aussicht zu genießen, ist eine Kamera an einen Bildschirm angeschlossen. Die Außenwelt flimmert im Kleinformat als einzige Lichtquelle im verdunkelten Zimmer, draußen sterile Hochhauswände. Seine unmittelbare Umgebung besteht aus technischen Geräten: Fernseher, Schnittcomputer und Videorecorder. Viele Videos, feinsäuberlich aufgereiht und beschriftet, zieren ein großes Regal an der Wand. Das ist Bennys Reich.

Der Ort, an dem er wahrscheinlich am zweitliebsten seine Zeit verbringt, ist die Videothek. Dort steht ein Mädchen und schaut sich draußen im Schaufenster Filme an. Augenrollend erwartet man nun als Otto Normalzuschauer den verkrampften Beginn einer Teenie-Romanze. Tatsächlich folgen zwischen den beiden wortkarge Gespräche und die Schüchternheit beider könnte nicht offensichtlicher sein. „So halt“ wird zur Phrase des Moments und muss auch noch in späteren Szenen als Antwort herhalten.

Der Höhepunkt der Romanze bildet das gemeinsame Ansehen einer Schweineschlachtung, die Benny gefilmt hat. Passend dazu drücken sich die beiden gegenseitig das Tötungsgerät in die Hand und fordern sich gegenseitig auf, abzudrücken. Letztendlich wird das Mädchen das Opfer der Mutprobe. Sie krümmt sich vor Schmerzen und wird erst durch zwei weitere Schüsse aus dem Bolzenschussgerät von ihrem Leiden erlöst.

Beim Aufwischen der Blutlache verzieht Benny kaum eine Miene und das folgende Telefonat mit einem Freund verläuft auch so, als wäre nie etwas passiert. Am Tag danach zeigt er das Video seinen Eltern, die nun verzweifelt versuchen, die Tat ihres bisherigen Vorzeigesprößlings zu vertuschen.

Idee gut, Umsetzung schlecht

Michael Haneke schuf einen Film der etwas anderen Art – einer sehr langatmigen Art. Es werden Sequenzen doppelt gezeigt und ewig andauernde und vor allem langweilige Handkameraaufnahmen präsentiert, die bis zur Schmerzgrenze verwackelt sind. Dies bringt einen gewissen Aspekt der Authentizität in die ganze Erzählung. Doch man hätte es nicht in diesem Maße übertreiben müssen. Der Film verzichtet weitgehend auf musikalische Untermalung, was ihn nicht gerade spannender macht.

Allerdings muss man Haneke eins lassen: Er schafft einen interessanten Blick auf die Kinder, die durch ihre karrierefixierten Eltern vernachlässigt und durch Fernsehen und Geld ersatzbefriedigt werden, was unweigerlich zu einer Gefühlskälte führt, zu deren Opfern man auch Benny zählen kann.

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