Des Kaisers neue Kleider – Kurzfilmnacht in neuem Gewand

Naturgemäß kann die filmab! nicht über die Kurzfilmnacht berichten, liegt sie doch immer kurz vor dem Erscheinen der letzten Ausgabe. Und es hätte auch wenig zu berichten gegeben, die Veranstaltung war etabliert und beliebt. Aber nach unseren Erfahrungen im letzten Jahr haben wir uns entschlossen, die Veranstaltung doch einmal zu beleuchten.

Bis zum 16. filmkunstfest vor zwei Jahren war die Kurzfilmnacht ein locker ans Programm angelehnter Abend. Etwas ab vom Schuss, im Speicher, bzw. vor vielen Jahren im Forumkino, war sie ein Teil des Festivals und dennoch alternativer in Gestaltung und Inhalten. Dem Zuschauer eröffnete sich nach dem Eintritt ein Saal voller Stühle und eine Leinwand, alles in gemütlicher Atmosphäre. Erst liefen eine Reihe Filme, danach gab’s die legendäre „offene Leinwand”. Wenn Regisseure oder Akteure anwesend waren, konnten diese zu Intentionen, Ideen und Methoden des gerade gesehen Werkes befragt werden. Vor drei Uhr leerte sich der Saal selten.

Preisverleihung während der Abschlussveranstaltung

Wie vieles auf dem filmkunstfest wurde der Abend im letzten Jahr neu gestaltet. Das Filmkuntsfest wurde einen Tag länger und mit dem Kurzfilmpreis „Golden Moon” um einen Preis reicher – Wettbewerb belebt das Geschäft. Was fürs Wirtschaften gilt, gilt auch für die Kultur? In diesem Jahr wird der Preis sogar auf der Abschlussveranstaltung verliehen. Bleibt zu hoffen, dass der Zuschauer den Unterschied zwischen Wettbewerbs-Kurzfilm-Preis und Kurzfilmnachts-Preis ausmachen kann. Was bleiben wird, sind frische Kurzfilme und die für alle Überraschungen bereite offene Leinwand.

Doch auch der Ort ändert sich. Aus dem alternativ-geprägtem Speicher wird die Kurzfilmnacht in den Brunnenhof der Einkaufs- und Erlebnisspassage „Der Wurm” verlegt – um den Abend auch örtlich näher an das filmkunstfest zu holen.

Skaparty vs. Kurzfilmnacht

Zurück zum Abend im letzten Jahr: Nicht wie gewohnt ein Raum voller Stühle, sondern der Saal mit wenigen Stühlen und ein paar Bistro-Tischen empfing den Besucher. Es gestaltet sich ganz schön anstrengend, von acht bis drei Uhr den Abend stehend zu verbringen oder einen der wenigen Stühle zu ergattern. Genug Freiraum zum Stehen blieb, man konnte den frischen Wind im Raum tatsächlich spüren. Immerhin sind für den heutigen Freitagabend ein paar Couchen für die frühen Vögel angekündigt.

Auch die Filme liefen im letzten Jahr nicht wie gewohnt hintereinander weg: ein DJ heizte den Zuschauern nach jedem Film ein. Oder jagte sie nach draußen, nicht nur zum Rauchen. Nach zehn bis 30 Minuten Kurzfilm, in dem Handlung und Aussagen naturgemäß komprimiert sind, braucht der Betrachter einige Minuten, um das Gesehene zu verarbeiten. Scheinbar sehen die Organisatoren das anders, denn auch in diesem Jahr ist eine Skaparty als Rahmen angekündigt. Eine mediale Überfrachtung, die das bisherige Publikum scheinbar nicht anfreunden konnte, jedenfalls blieben nur wenige lang oder gar bis zum Ende.

Neues Publikum gesucht

Die Änderungen blieben den meisten aber bis nach dem Bezahlen unbemerkt, die Kasse müsste also noch gestimmt haben. Aber das „alte” Publikum wird daraus gelernt haben. Fürs filmkunstfest bleibt die Hoffnung, dass sich ein neues Publikum finden wird. Oder der Veranstalter merkt, wie der Kaiser im Märchen, dass die neuen Kleider mehr versprechen als sie halten können.

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