Blutige Karriere (SF Das Spinnennetz)

Wozu ist der Mensch fähig? Wie weit kann ein Mensch gehen? Leutnant Lohse, der von Ulrich Mühe brillant gespielt wird, ist zu allem fähig und geht über Leichen, selbst wenn es um seinen besten Freund geht. Die grandios von Regisseur Bernhard Wicki in Szene gesetzte Literaturverfilmung Joseph Roths Roman “Das Spinnennetz” beleuchtet intensiv den Karriereweg des Leutnants, der vor allem blutig und immens brutal ist.

Nach dem Krieg studiert der beim Kieler Matrosenaufstand gescheiterte Leutnant Lohse Jura und finanziert sich sein Studium als Hauslehrer bei einer wohlhabenden jüdischen Familie. Sein Ziel ist das Innenministerium. Um dieses zu erreichen, schreckt er selbst vor eigenen Demütigungen nicht zurück und bekommt durch eine homosexuelle Affäre mit Prinz Heinrich einen Auftrag bei einer rechtsextremen Gruppierung. Hier soll er eine anarchistische Vereinigung ausspionieren, weiß aber zunächst nicht, dass auch er selbst beobachtet wird – von seinem besten Freund Günter. Lohse kommt nicht nur den Vorhaben der “terroristischen Verbündung” sondern auch Günter auf die Schliche. Dieser zeigt sich aber als Freund und verschweigt bei den Vorgesetzten Lohses Affäre mit einer Jüdin, seiner ehemaligen Chefin. Damit Lohse aufsteigen kann, hintergeht er Günter und schreckt selbst vor dessen Ermordung nicht zurück. Auch seinen Vorgesetzten erschlägt er, um seinen Posten einzunehmen.

Kein Platz für Freundschaft und Moral

Unter den Anarchisten war auch der Jude Lenz (Klaus Maria Brandauer). Ebenso wie Lohse war er kein wirkliches Mitglied sondern nur Spion. Durch seine Detektivarbeit verdient er sich sein Geld und versucht gleichzeitig, seine jüdische Gemeinde zu schützen. Genau wie Günter zeigt auch er sich Lohse gegenüber solidarisch und sorgt für dessen Freilassung, als Lohse gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der linken Gruppering verhaftet wird.

Doch in Lohses Kopf gibt es keinen Platz für Freundschaft, Liebe und Moral und in seiner Ideologie keinen für Juden. Er trennt sich von seiner Liebhaberin und heiratet Elsa von Schlieffen, durch deren Beziehungen er die begehrte Stelle im Innenministerium bekommt. Um Lenz‘ Entdeckungen zu vernichteten, nutzt er die Schrecknisse eines Pogroms und setzt dessen Wohnung in Brand. Als guter Spion beobachtet ihn Lenz dabei und will nun auch ihn leiden sehen. Er will Vergeltung für all die Toten, die Lohse auf dem Gewissen hat. Doch Lohse hat kein Gewissen und mit niemanden Erbarmen.

Regisseur Wickis Arbeit und die meisterhaften Darstellungen Mühes und Brandauers zeigen authentisch das Aufkeimen des Nationalsozialismus in Deutschland und die Schrecknisse, die damit verbunden sind. “Das Spinnennetz” ist mehr als die Bebilderung eines Romans oder ein bloßer Historienfilm – es ist ein Film, der unter die Haut geht. Der Zuschauer ist geschockt von der Brutalität und der Kaltblütigkeit der Faschisten, die ihre Opfer nicht schnell erschießen, sondern sich an Demütigungen, Perversitäten und qualvollen Morden ergötzen. Die Kamera hält lange auf verstümmelte Körper und gespaltene Schädel, so dass der Zuschauer nicht kurz die Hand vor die Augen halten kann, denn das Leiden war nicht kurz, sondern lange und entsetzlich.