Grenzgänger (SF Vineta)

Haben Sie sich nicht auch schon einmal gefragt was wäre, wenn alles um Sie herum nur eine unwirkliche Illusion wäre? Eine Scheinwirklichkeit, die Ihnen unverschämte Echtheit suggeriert? Genau hier setzt der Film „Vineta“ an. Ein schauerliches Spiel zwischen empfundener Realität, Schauspiel und Verdrängungskunst, inszeniert mit viel optischem und akkustischem Feingefühl, das den Zuschauer auf psychologischer Ebene kaltblütig erfasst.

Ein viel beschäftigter und preisgekrönter Architekt hetzt von einem Auftrag zum nächsten. Dadurch vernachlässigt er seine Tochter und führt gleich zu Anfang in den Vater-Tochter-Konflikt ein, der der Geschichte einen überraschenden Rahmen verleiht.

Doch vor allem die Persönlichkeit des Protagonisten bannt den Zuschauer. Wild und chaotisch verschachtelte Kameraperspektiven, kurze Einblendungen und Sekundenbilder zeigen den Künstler in Aktion. Unkontrolliertes Gekritzel und zwanghafte Inspiration sind in exponentieller Zeitraffung umgesetzt und zeigen ein Genie an der Grenze zum Wahnsinn. Der Künstler steigert sich in seiner wilden Schaffensphase, ohne Kontrolle in absoluter Ekstase, zu einem hoffnungslosen Exzentriker. Schließlich muss sich dieses Individuum mit einer sechsköpfigen Crew realitätsferner Idealisten auseinandersetzen. Deren Ansichten entpuppen sich jedoch nach und nach als krankhaft, wenn dem Protagonisten klar wird, dass es sich bei dem architektonischen Besiedelungsprojekt um einen Mikrokosmos des totalitären Überwachungsstaates handelt. Die klaustrophobische Schlinge dieser Situation packt den Zuschauer, zieht sich immer mehr zusammen und gipfelt im Tod eines Gruppenmitglieds. Nun fängt die ohnehin schon suspekte Fassade zu bröckeln an und der psychische und physische Abbau des Protagonisten erreicht ein lebensbedrohliches Stadium. Dieser Film ist mit großem emotionalen Feingefühl erzählt. Allerdings lässt die Qualität der Requisiten etwas zu wünschen übrig. Doch durch raffinierte Farbeffekte und Kameraeinsatz provoziert dieser Film persönliche Assoziationen und findet nachhaltigen psychologischen Zugang beim Zuschauer. Dadurch hinterlässt er einen überwältigend bedrückenden Gesamteindruck, der erst einmal verdaut werden muss. Gänsehautgefühl.

Felicia Schneiderhan, Marco Herzog

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