Vom Traum zur Wirklichkeit [Hommage Katrin Sass]

Der diesjährige Ehrenpreis geht an ein echtes Kind Schwerins: Katrin Sass, die Frau mit den zwei Karrieren zwischen Ost und West.


Die sechziger Jahre in Schwerin. Auf der Fritz-Reuter-Bühne schaut ein kleines Mädchen ihrer Mama begeistert bei der Theaterprobe zu. Das Mädchen heißt Katrin Sass. Der unverwechselbare Charme des Schauspiels zieht sie schnell in seinen Bann. Ihr Traum: Selbst einmal auf den Brettern spielen, die die Welt bedeuten.
2011, wieder in Schwerin, die Bühne ist inzwischen größer. Katrin Sass hat ihren Traum verwirklicht. Am kommenden Samstag wird die gebürtige Schwerinerin mit dem diesjährigen Ehrenpreis ausgezeichnet, dem Goldenen Ochsen. Im Festivalkatalog würdigt der künstlerische Leiter Stefan Fichtner vor allem „das Raue und das Zarte“, womit Katrin Sass ihren Figuren Wahrhaftigkeit verleiht.

Ihre Mutter Marga Heiden bestand darauf, dass sie nach der Schule eine Fachausbildung zur Telefonistin macht. Nach einer Ablehnung an der Schauspielschule Berlin schrieb sie eine zweite Bewerbung an die Hochschule für Musik und Theater Rostock – und wurde angenommen. Heiner Carow erkannte früh ihr Talent und engagierte 1978 die damals 21-jährige Studentin für die Hauptrolle in „Bis dass der Tod euch scheidet“. Der Film wurde hochgelobt und zum Kassenschlager.
Mit ihrer zweiten großen Hauptrolle in „Bürgschaft für ein Jahr“ von Hermann Zschoche gewann sie einen Silbernen Bären als beste Schauspielerin bei der Berlinale 1982. Trotz des Erfolgs fehlte sie in den folgenden Jahre auf der Leinwand. Die Gründe für diese Auftragsflaute erfuhr die Filmdarstellerin erst mit Offenlegung ihrer Stasi-Akten: Katrin Sass sei „manchmal laut“ und „will provozieren“, liebe aber ihre Heimat, geht aus den Berichten hervor. „Meine Heimat habe ich auch geliebt. Und mein Land habe ich auch geliebt. Dreißig Jahre. Aber nicht dieses System!“, sagte sie später.

Der Fall der Mauer 1989 war für viele DDR-Schauspieler wie Katrin Sass ein drastischer Umbruch. Im Osten bestens bekannt, wusste im Westen kaum jemand etwas mit ihren Namen anzufangen. Zwei Jahre lang bekam Katrin Sass keine Aufträge. Sie war arbeitslos. Sass konzentrierte sich fortan auf die TV-Karriere und betrieb das Theaterschauspiel nur noch nebenbei.
Das Comeback gelang erst 2001: Michael Klier engagierte Katrin Sass für die Hauptrolle im Melodram „Heidi M.“ – die Geschichte über die Spätiverkäuferin gewann den Deutschen Filmpreis. Das war der Beginn ihrer zweiten Karriere, nämlich der nach dem Mauerfall. Ihre Rolle als Christiane Kerner in „Good Bye, Lenin!“ brachte die kesse Charakterdarstellerin 2003 zum internationalen Erfolg. Sass gewann den Publikumspreis des Europäischen Filmpreises. In über 15 Kinofilmen und etwa 40 TV-Produktionen sah man sie bisher. Wenn man sie nicht auf der Leinwand sieht, dann singt sie gern. Mit ihrem Liederprogramm „Goodbye Lenin, hallo Katrin!“ macht sie am Mittwochabend Station im Capitol.

Trotz des großen Erfolgs nimmt die gebürtige Schwerinerin immer wieder eine Auszeit, um neue Kräfte zu sammeln. Auch die größten Niederschläge bringen sie nicht vom Weg ab. Das mögliche Erfolgsgeheimnis der mehrfach gekrönten Schauspielerin? Sie ist sich selbst und ihrem eigenen Anspruch immer treu geblieben. Ihrer mecklenburgischen Heimat übrigens auch: Katrin Sass lebt in Mecklenburg und Berlin.

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